Für das Thema „Kriegsende – Nachkriegszeit, Was bleibt wichtig für Gegenwart und Zukunft? Zeitzeugen im Gespräch“ haben die Frauen Union (FU), die Senioren Union und die Junge Union (JU) Bad Honnef gemeinsam ein zahlreiches Publikum interessieren können. Im sonst für Kaffee und Kuchen gerne besuchten „Karlottas“ wurden an diesem Abend durch Zeitzeugen Erinnerungen vorgetragen und zusammen mit dem Publikum versucht, daraus Verbindungen zur Gegenwart und Zukunft herzustellen.
Die Vorstandsvorsitzende der FU, Frau Dr. Ursula Maria Egyptien Gad, beschreibt den Anlass der Veranstaltung:
„Unsere Zeitzeugen waren bei der Machtergreifung (30.1.1933) kleine Kinder oder noch gar nicht geboren. Die Erlebnisse von Kriegsgreuel aller Art haben diese Generation nicht davon abgehalten, das zerstörte Deutschland wieder aufzubauen, ganz im Gegenteil. Über Jahrzehnte haben sie viel geleistet, aber es wurde wenig über ihre Kindheitserfahrungen gesprochen, denn die Parole hieß Durchhalten und Nachvorneschauen. (…) Was alle verbindet: Die Kriegsvergangenheit hat in vielen Familien bis in die zweite und dritte Generation hinein Spuren hinterlassen. Alle unter uns, die aus der Generation derer, die den 2. Weltkrieg miterlebt haben, hervorgegangen sind, wissen, wie sehr die Kriegserlebnisse der Eltern auch ihr eigenes Leben bestimmt hat. Die Erfahrungen dieser Menschen sind sehr unterschiedlich und besonders wichtig erscheint uns die Weitergabe der Erkenntnisse an die nachfolgenden Generationen.“
Die geladenen Zeitzeugen Frau Ingrid Gad, Herr Karl Leven, Frau Thea Pakebusch, Herr Dr. Franz-Georg Weckbecker und Frau Marianne Werber schilderten sehr persönlich und bewegend ihre Erfahrungen aus der Kinderzeit, die durch Bombenkrieg, Hunger und Vertreibung auf unter-schiedliche Art geprägt wurden. Dies wurde durch Berichte aus dem Kreis des sehr engagierten Publikums ergänzt – es war zu spüren, dass das Thema auch nach vielen Jahrzehnten noch leben-dig ist.
Die wechselnde Moderation von Frau Dr. Egyptien Gad (FU), Frau Siegler von Eberswald (JU) und Herrn Lingenthal (SenU
) strukturierte den Abend und half dabei, den eindrücklichen Schilderungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie den Fragen und eigenen Erinnerungen aus dem Publikum zu folgen.
Auf die Frage von Herrn Lingenthal „Was würdest Du / würden Sie einem jungen Menschen sagen, was man für sein Leben mitnehmen kann?“ gab es von den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unterschiedliche Antworten:
Herr Leven erzählte aus Kriegszeit und insbesondere aus den Tagen, als die Amerikaner den Rhein überschritten: „Der Nationalsozialismus hatte eine unerquickliche Welt geschaffen. Dies ist an die Jugend weiterzugeben. In der Hoffnung, dass sich dies nicht wiederholt.“
Frau Werber erinnerte sich daran, dass ihre Kindheit – trotz der schweren Zeit und dem persönli-chen Schicksal der Familie – gerade wegen der Unterstützung durch die Nachbarschaft nicht traurig war. Für sie ist es wichtig „ehrlich miteinander umzugehen und die persönlichen, direkten Kontakte zu pflegen“.
Frau Gad schilderte ihre Erlebnisse in der Besatzungszeit durch die Russen in Berlin, die durch Hunger, Kälte und Gewalt geprägt waren. Mit der Übernahme der Besatzung durch die Amerika-ner wurden die Lebensbedingungen spürbar leichter. Frau Gad geht es darum, „mit Dankbarkeit die persönlichen Möglichkeiten zu nutzen, die sich im demokratischen Nachkriegsdeutschland bieten“.
Frau Pakebusch schilderte auch die Nachkriegszeit in der DDR, in welcher es ihr unmöglich ge-macht wurde, die Schule zu besuchen. Sie floh mit 22 Jahren ganz auf sich gestellt in den Westen. Dort kam sie ins Rheinland zu Verwandten und schuf sich ein neues Leben. Daraus hat sie gelernt „nach vorne zu schauen, menschlich zu bleiben und sich nicht ausnutzen zu lassen.“
Herr Dr. Weckbecker berichtete über die Schulzeit in Bad Honnef, die unerwartete Veränderungen mit sich brachte und die er als „ernste, hochgefährliche Zeit“ in Erinnerung hat: Junge Lehrer ver-schwanden, ältere Schüler mussten an die Front. Er gibt der heutigen, jungen Generationen den Rat „eine vernünftige Ausbildung zu machen – und diese auch abzuschliessen. Denn: „Von selbst geschieht nichts!“
Aus dem Publikum kamen im Anschluss ebenfalls bemerkenswerte Erinnerungen und Gedanken. Eine Dame aus Rhöndorf schilderte ihre Kindheit in einem Elternhaus, welches im Widerstand aktiv war. Sie hat die Anfänge der bundesrepublikanischen Demokratie als Besucherin im Parlamentari-schen Rat persönlich miterlebt. Ihr Appell: „Freiheit schätzen und bewahren!“
Diskutiert wurde auch die Frage, warum die Kriegsgeneration über ihre Erlebnisse nur wenig oder oft überhaupt nicht gesprochen hat bzw. warum die Kriegszeit und die Erfahrungen der Kriegskin-der im Nachkriegsdeutschland so wenig Gesprächsgegenstand war. Hierzu wurde ein interessanter Gedanke durch einen Herrn aus dem Publikum vorgetragen: Die Generation des Wiederaufbaus wählte nicht den Weg der Sprache als Reaktion auf diese Zeit, sondern stattdessen den Weg, durch ein vorbildhaftes Leben nach vorne zu schauen und sich auf die Verbesserung der Verhältnisse zu konzentrieren.
Frau Dr. Egyptien Gad betonte:
„Wir befassen uns mit einer Zeit, die viele Jahrzehnte lang her ist, die aber durch aktuelle Bilder wieder sehr wach gerufen wird. Die Folgen von Krieg, Flucht und Verfolgung sind von beklemmen-der Aktualität“. Es geht uns heute nicht darum, „nur“ Kriegs- und Nachkriegserinnerungen anzuhören, sondern vielmehr auch darum, den Bogen zu Gegenwart und Zukunft zu spannen, zu den jungen Menschen, um jede Chance zu nutzen, die Bedeutung von Frieden, Freiheit und Demokratie hervorzuheben“.
In diesem Sinne beindruckte die Schilderung von Frau Milch aus Ex-Jugoslawien, die im Alter von 10 – 13 Jahren in Sarajewo den schlimmsten Bürgerkrieg in der jüngsten europäischen Geschichte erlebt hat: „Es war eine schreckliche Zeit, aber sie hat positive Aspekte für mein Leben: Freiheit, Pazifismus, Humanismus sind Grundwerte für mein Leben, die ich an meine Kinder weitergebe.“
Dies wurde Frau Siegler von Eberswald unterstützt. Sie weiß aus ihren Kindheitserlebnissen im vom Bürgerkrieg, Hunger und Gewalt gezeichneten Uganda, um den Wert von Frieden und Demokratie in Deutschland. Diese Erfahrungen wirken bis heute nach und sind für sie ein wichtiger Grund, sich aktiv politisch zu engagieren.
Der Bogen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wurde an diesem Gesprächsabend im Karlotta’s durch Zeitzeugen, Publikum, Moderatorinnen und Moderator weit gespannt und auf besondere Weise mit Leben gefüllt: Die zunächst fern erscheinende Vergangenheit wurde hautnah an die Gegenwart herangeführt und die Appelle der Zeitzeugen wirken als Anregungen für die Gestaltung der Zukunft.
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